Interview mit Dr. Catharina Bening, Forscherin für Kreislaufwirtschaft an der ETH Zürich (im Bild links) und Julia Bachmann, Co-Leiterin dessus.lab an der ETH Zürich.
Wir sind einen Riesenschritt weiter und stehen gleichzeitig am Anfang einer grösseren Transformation. Mit der Verpackungs-Datenbank haben wir den Grundstein gelegt, um Verpackungen auf wissenschaftlicher Basis zu optimieren. Das ist wichtig, weil Verpackungen ein Teil eines komplexen Systems sind. Nicht alles, was nach einer nachhaltigen Lösung aussieht, ist auch wirklich eine nachhaltige Lösung, wenn man das Gesamtsystem betrachtet. Wir haben nun diese Zusammenhänge abgebildet und sind dabei, konkrete, nachhaltigere Verpackungslösungen zu testen mit dem Ziel, diese bei Denner einzusetzen. Nicht nur als kleiner Versuch, sondern im grossen Massstab.
Materialreduktionen beziehen sich lediglich auf das Gewicht. Aber je nachdem, mit welchem Material wir es zu tun haben, macht das Gewicht nicht zwangsläufig eine Aussage darüber, mit welchen Umweltauswirkungen der Gebrauch der Verpackung einhergeht. Wir haben daher die verschiedenen Materialien an ihren CO2-Verbrauch gekoppelt, um eine bessere Einsicht darüber zu erhalten, was die Konsequenzen für die Umwelt sind. Natürlich ist der CO2-Verbrauch nur ein Teil von vielen wichtigen Umweltdimensionen. Aufgrund der Datenverfügbarkeit ist er jedoch ein sinnvoller erster Schritt in der Darstellung der Auswirkungen.
Die Chancen des Projekts sind riesig – für Denner und den gesamten Schweizer Detailhandel. Wir möchten mit den Innovationen, die wir zur Reduktion von Verpackungsemissionen vorschlagen, einerseits helfen, Denner nachhaltiger zu machen. Andererseits möchten wir der gesamten Branche zeigen, dass wesentliche Veränderungen im Bereich von Nachhaltigkeit und Verpackung wichtig und möglich sind. Unser Motto: Ein kleiner Schritt für Denner, aber ein grosser Schritt für den schweizerischen Detailhandel.
Dazu muss ich etwas ausholen: Glas macht ca. 50% des gesamten Verpackungsgewichts aus. Kunststoffe und Verbundstoffe zusammen ca. 25% und Papier ebenfalls ca. 25% des Gewichts. Wie allerdings meine Kollegin Catharina Bening erläutert hat, ist das Gewicht kein ausreichender Indikator für die Umweltauswirkungen einer Verpackung. Ein aussagekräftigerer, aber auch nicht alleiniger, Nachhaltigkeitsindikator ist der CO2-Verbrauch. Deshalb hat der Lehrstuhl für Ökologisches Systemdesign sogenannte Lebenszyklusanalysen für über 15 unterschiedliche Materialtypen durchgeführt. Bei einer Lebenszyklusanalyse betrachtet man ein Produkt während des gesamten Lebenswegs, also von Produktion bis Entsorgung, und berechnet die entstandenen Emissionen.
Als wir die Daten aus den Lebenszyklusanalysen mit der Datenbank gekoppelt haben, waren Kunststoffe und Verbundstoffe gemeinsam für 60% der Emissionen verantwortlich, Papier für knapp 20% und Glas für weniger als 15%. Wir konnten also aufzeigen, dass das Reduktionsziel nicht am gesamten Verpackungsgewicht bemessen werden sollte. Eine leichtere Verpackung ist nicht automatisch nachhaltiger.
Das übergeordnete Ziel ist eine Emissionsreduktion. Diese kann durch reduzierten Materialeinsatz erreicht werden kann, aber auch beispielsweise durch den Einsatz von nachhaltigeren Materialien, wiederverwendbaren Verpackungen, oder Verpackungen, die nur aus einem Material bestehen.
Lieferanten spielen eine grosse Rolle. Denner hat sich zwar das Reduktionsziel gesetzt, braucht jedoch Unterstützung: Um die 20% Reduktion zu erreichen, muss Denner zusammen mit den Lieferanten bestehende Verpackungen optimieren und gleichzeitig auch komplett neue Verpackungsformate ausprobieren.
Ziel der Workshops war es, spezifische Produkt- oder Verpackungskategorien mit hohen Reduktionspotential entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu überdenken. Wir haben Verpackungshersteller, Lebensmittel-Hersteller und -Verarbeiter, Logistikunternehmen, Start-Ups, Designer und weitere relevante Stakeholder an einen Tischzusammengebracht, um verschiedene Ansätze aus der Kreislaufwirtschaft zu erkunden. In den Workshops ging es darum, gemeinsam Lösungen zu generieren sowie Chancen und Hindernisse zu identifizieren.
Wir sind nun in der Testphase angekommen, in der wir, zusammen mit Denners Produktmanagern und Lieferanten, sogenannte Optimierungs- und Innovationsprojekte angehen. Bei den Optimierungsprojekten geht es darum, kleinere Veränderungen zu identifizieren. Innovationsprojektebringen grössere Anpassungen mit sich, wie beispielsweise die Entwicklung einer komplett neuen Verpackung. Manchmal setzt dies eine Verhaltensänderung der Konsumenten voraus und fast immer müssen Innovationsprojekte mehrfach ausprobiert und angepasst werden. Die heutigen Bestseller sind schliesslich auch nicht über Nacht entstanden.